Ronja hat ein Päckchen zu tragen

Erste Hürden - Erste Lösungen

Wie kam Ronja ins Tierheim

Ronja wurde im Tierheim Soest abgegeben. Als kleiner Welpe wurde sie mit 8 Wochen von Bulgarien nach Deutschland gebracht. Hier kam sie in eine Familie mit Kind und ganz sicher haben sich alle auf den kleinen Zwerg gefreut. Aber aus einem Grund, der uns nicht bekannt ist, hat es nicht geklappt. Nachdem sich die Menschen über ein Jahr lang viel Mühe gegeben hatten, kam der Moment der Entscheidung: wir schaffen es nicht. Und so kam Ronja ins Tierheim Soest. Und eins war klar: Ronja hat sehr viel Angst. Vor allem hat sie Angst vor Menschen. Als wir sie kennenlernten war sie schon 3 Wochen dort und allen Berichten zu Folge ging es ihr schon besser. Mit viel Geduld war es der Tierpflegerin Nadine gelungen ihr Vertrauen zu gewinnen. Und ganz langsam durften auch andere Menschen aus dem Tierheim sie anfassen, um ihr das Geschirr anzulegen.

Aber alle fremden Menschen waren immer noch gruselige Monsteraffen, die kleine Hunde fressen. Selbst die fröhliche Christina Sondermann, die sie einlud 2 kleine Futterspiele mitzuspielen, konnte sie nicht überzeugen aus ihrer Schneckenschale herauszukriechen.

Also wurde auf der Website nach geduldigen und hundeerfahrenen Menschen gesucht, die sie mit viel Liebe und Geduld davon überzeugen, dass Primaten der Gattung Homo tatsächlich ganz nette Wesen sein können.

Und plötzlich sind da wir am anderen Ende der Leine

Und so kamen wir auf die Idee, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Schließlich haben wir doch viel Geduld und sind auch hundeerfahren. Gesagt - getan, wir verabreden einen Besuch im Tierheim und gehen gemeinsam mit der sehr netten Tierpflegerin Steffi eine Runde spazieren. Ronja hält maximalen Abstand zu uns und auch wenn sie es aushält, dass ich die Leine halte, so nutzt sie deren Radius voll aus, um uns nicht zu nahe zu kommen. Alles in allem wirkt sie angespannt und aufgeregt, aber gemeinsam mit Steffi haben wir den Eindruck: das kann was werden.

Nachdem wir 2 Nächte darüber geschlafen haben, tun wir kund: Wir nehmen Ronja zu uns. Gleichzeitig ist uns aber klar: sie braucht wirklich viel Geduld und mal eben ein paar Runden spazieren gehen, ins Auto verfrachten und ab nach Hause, das wollen wir ihr nicht zumuten.

Also vereinbaren wir mit dem Tierheim, dass wir mehrere Tage je 2 Spaziergänge mit ihr machen wollen. Die Tierheim Mitarbeiter*innen sind sehr froh über unser Engagement und sagen uns zu, dass sie alles erdenkliche möglich machen, damit die arme Ronja aus dem Tierheim kommt. Da Soest aber eine ordentliche Strecke zu fahren ist, beschließen wir für 2 Tage eine Ferienwohnung zu nehmen. 

Und so reisen wir am 19. März nach Soest und am 20. März beginnt unser Abenteuer.

Jetzt könnten wir einen Verstärker brauchen, aber wie nur, wenn nichts Freude bereitet

Wir starten Sonntag Morgen und bekommen Ronja an einer 1,5 Meter Leine in die Hand gedrückt. Ich denke, ich lasse sie mal an meiner Hand schnüffeln und dann gleich ein paar Bröckchen Käse fallen, vielleicht hilft das ja ein wenig das Eis zu brechen - denkste! Sie nähert sich mit langem Hals meiner Hand und in dem Moment, in dem ich diese öffne, springt sie mit schreckgeweiteten Augen weg. Wir bemühen uns ihr soviel Raum zu geben, wie es eben geht, aber mit einem Strick von 1,5 Meter zwischen uns ist das gar nicht so einfach. An so etwas wie Futter geben zum Kennenlernen ist gar nicht zu denken. Denn sobald ich die Hand auch nur auf Bauchnabelhöhe hebe, um ein Futterstückchen aus meiner Futtertasche zu nehmen, schießt ihre Rute unter den Bauch und sie so weit von mir weg, wie das eben an der Leine geht. Also wandern wir mit ihr den Spazierweg entlang, nutzen die angrenzenden Felder und Wiesenstückchen um all den Sonntagsspaziergängern und Fahrradfahrern auszuweichen, die ihr einen Heidenschrecken einflößen. Beim 2. Spaziergang am Nachmittag geht es schon ein winziges bisschen besser, aber meine Arm heben darf ich noch immer nicht und Chris hält viel Abstand. Wenn sie aus Versehen mal zwischen uns durch muss, dann nur in Blitzesschnelle und mit eingezogenem Schwanz.

Am Abend zu Hause denken wir darüber nach, wie wir ihr Vertrauen gewinnen könnten. Normalerweise würde ich sagen, wir brauchen einen positiven Verstärker für Annäherung und irgendetwas Erfreuliches, was sie mit uns verknüpfen kann, aber da ist nichts Erfreuliches. Sie hat einfach Angst und Punkt.

Aber da ist ja noch: der negative Verstärker und das Gefühl der Erleichterung. Wenn Freude nicht geht, dann ist Erleichterung immer noch besser als nichts.

So überlegen wir, wie wir ihr diese Erleichterung verschaffen können und wie wir ihr das auch noch ankündigen können. Wir suchen nach einem Wort, das wir im Alltag nicht oft benutzen und einigen uns auf „SchoRecht“ - Kurzfassung von „Is scho recht“ - denn Bayrisch sprechen wir zwei beiden sonst nie.

Am nächsten Morgen starten wir mit unserem Plan: sobald sie neben mir auftaucht, sage ich „SchoRecht“ und wende mich von ihr ab und entferne mich 1-2- Schritte. Und dem Himmel sei Dank: der Plan geht auf. Ganz langsam nähert sie sich immer häufiger an und bekommt zuverlässig die Versicherung: „SchoRecht“ mit der darauf folgenden Distanzvergrößerung.

Einige Picknicks auf der Wiese später beginnen die ersten Futterspiele

Wir haben Glück: das Wetter ist die ganze Zeit schön und warm und wir haben mit Christina Sondermann abgesprochen, dass wir gar keine großen Runden mit ihr gehen, sondern eher Picknicks veranstalten. Wir finden eine Wiese, die wir kapern. Wir breiten eine Decke aus und legen Frikadellenstückchen und Käse darauf. Ronja beobachtet uns aus aus 5 Metern Abstand vom Ende der Leine. Ich sage „SchoRecht“ und wir entfernen uns von der Decke. Und siehe da, sie schleicht sich an die Decke an und stibitzt ein Stück Frikadelle - Ronja, die Räubertochter. Wir könnten einen Freudentanz aufführen, aber unterlassen das, um sie nicht zu erschrecken.

Und so geht es langsam aber sicher mit jedem Spaziergang ein kleines Stückchen vorwärts. Unser Signal für Distanzvergrößerung bewährt sich. Ganz vorsichtig wächst das Vertrauen und die Freude über lustige Futterspiele an verästelten Baumresten, in Wiesen und an Feldrändern. 

Zwischendurch müssen wir noch mal 3 Tage nach Wuppertal, nehmen uns aber den Freitag - wir wollten eigentlich mit Fridays for Future demonstrieren gehen, aber so wird es Friday for Ronja. Und Sonntag ziehen wir ein zweites Mal in unser Feriendomizil und hoffen, dass wir sie Mittwoch morgen mitnehmen können.

Wir erleben gemeinsame Abenteuer an Tunneln unter den Eisenbahnschienen, meine Güte ist es dunkel da drin und ganz bestimmt gibt es da Drachen und andere Fabelwesen zu entdecken. Und ganz vorsichtig zeigt sich eine mutige Ronja, die sich was traut. Wir picknicken am Auto, damit sie auch das schon kennen und mögen lernt.

Am 6. Tag - die Annäherung und endlich darf ich sie anfassen

Am Montag nach einem ausführlichen Picknick am Auto, nehme ich sie noch einmal mit auf eine Runde Spaziergang zum Beine strecken, während Chris unser Picknick aufräumt. Und dann auf einmal nähert sie sich meiner Hand mit einem Stückchen getrocknetem Hühnchenfleisch und nimmt es mir aus der Hand. Ich halte die Luft an und bin unendlich gerührt. Sie ist aufgeweckt und erkundet die Umwelt, also beschließe ich, den Spaziergang bis in den angrenzenden Stadtpark zu verlängern und siehe da, wir erleben schon fast so etwas, wie einen ganz normalen Gassigang. Auf dem Rückweg kann sie immer besser Futter aus meiner Hand nehmen. Und dann ganz vorsichtig, berührt sie meine Fingerspitzen mit ihrem Kinn. Mir wird ganz warm und ich streichle sie ganz sacht unter ihrem Kinn. Sie hält tatsächlich still und ich darf sie an der Wange kraulen: endlich der Durchbruch. Ab da ist das Eis gebrochen. Ich führe die Frage ein: „Kraulen?“ und halte ihr die Hand hin und zur Bestätigung berührt sie meine Hand mit ihrem Kinn. Am nächsten Tag wiederholt sich das und seitdem können wir sie immer mehr fragen: ob sie kraulen mag - gestreichelt werden mag - und wenn wir ganz wild kuscheln, dann heißt das kuschelmuschel. Und sie sagt zuverlässig „ja“ oder „Nein“ - Kinn in die Hand oder eben nicht.

Die Autofahrt: Plan und Wirklichkeit

Aber halt, nicht so schnell. Nach unseren ersten Erfolgen mit dem Kraulen und auch schon mit ein bisschen streicheln, kam ja noch das große Abenteuer Umzug: Ronja musste also in die Box in unserem Auto, eine einstündige Fahrt überstehen, hier in Beyenburg aussteigen und das Ganze, ohne wieder in alte Ängste abzurutschen.

Nadine war gerne bereit uns zu unterstützen beim Einsteigen. Ich hatte alles vorbereitet: Die Tür der Box zur Seite gebunden, damit diese nicht unverhofft zuschlagen konnte, eine Leine durch die Löcher der Box gelegt, die Nadine dann gegen die andere Leine austauschen konnte. So hatte ich die Möglichkeit sie vom Sitz des Autos aus festzuhalten, während Nadine die Tür in Ruhe schließen konnte. Alles bloß kein Begrenzen und Erschrecken.

Was ich befürchtet hatte, trat nicht ein: Ronja legte sich in der Box ruhig hin und wir kamen ohne irgendwelche Schwierigkeiten in Wuppertal Beyenburg an. Sie ließ sich von mir aus der Box holen und das schwanzwedelnd und mit kurvigem Körper. Und dann haben wir erstmal die Gegend erkundet. Und nun ist sie hier und sie kommt jeden Tag ein bisschen mehr an und macht ihrem Namen jeden Tag ein bisschen mehr Ehre - Ronja, die Räubertochter. Ich gebe ihr noch ein Jahr und sie wird die Räuberhauptfrau - garantiert!

 

von Pia Klein

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