Respekt soll der Hund haben und zwar vor DIR!

Echt jetzt - brauchst du das?

Letzt hörte ich die Aussage: „Mein Hund soll Respekt vor mir haben!“ - und diesem Menschen schien das wirklich sehr wichtig zu sein und die Grundlage für eine gelungene Hund - Mensch - Beziehung. Da mir das schon häufiger begegnet ist und ich dabei immer ein mulmiges Gefühl bekomme, habe ich mal „drüber nachgedacht“ und mir angeschaut, was das eigentlich bedeuten könnte.

4 Fragen dazu

  1. Was ist eigentlich Respekt?
  2. Kann mein Hund Respekt vor mir haben?
  3. Brauche ich das?
  4. Will ich das?

Die Antworten

Was ist eigentlich Respekt? Meine Anlaufstelle: der Duden, wer sonst? Und hier kommen die Definitionen, die der Duden uns liefert:

  1. auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung
  2. vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen
  3. frei gelassener Rand einer Buch-, Briefseite, eines Kupferstichs o. Ä.

Definition 3: frei gelassener Rand einer Buch-, Briefseite, eines Kupferstichs o. Ä.

Das können wir getrost vergessen. Vielleicht wünschst du dir, dass dein Hund ein offenes Buch für dich ist, aber auch dann würde er keinen freigelassenen Rand haben. Also, weg damit.

Definition 1: auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung

Das würde bedeuten, dass mein Hund mich bewundert oder mich anerkennt. Was könnte er denn anerkennen - Eine besondere Leistung vielleicht?

Wenn ich darüber nachdenke, wem ich einen solchen Respekt entgegen bringe, dann fällt mir spontan Stephen Hawking ein oder Martin Luther King, Gandhi oder Nelson Mandela. Darüber hinaus Menschen, die auch trotz großer Widrigkeiten im Leben nicht aufgegeben haben und ihren Weg verfolgt haben. Menschen auf der Flucht fallen mir da ein, Menschen mit schwerer Erkrankung oder Unfall, die trotz allem weiter leben und sich ein gutes Leben aufbauen. Menschen, die ein Trauma überlebt haben und nicht aufgeben nach einem glücklichen Leben zu streben, …

Was bei allen gleich ist: Ich habe eine Vorstellung davon, wie groß und erstaunlich die Leistungen waren, die diese Menschen erbringen. Ich kann mir vorstellen, wie groß die Widrigkeiten sind oder waren, die sie überwinden. Und dafür bewundere ich sie und anerkenne die enorme Leistung. Und ja, das fordert mir Respekt ab für diese Menschen. Und wenn ich noch ein bisschen weiterdenke, dann empfinde ich auch großen Respekt vor so manchem Hund, der ohne angemessene Vorbereitung in unsere komplizierte Welt geworfen wird und trotz all der Fehler, die wir Hundemenschen so oft machen und all den Überforderungen, denen wir unseren Hund aussetzen, in den allermeisten Fällen freundlich bleibt. Und auch für die Hunde, die sich dann irgendwann wehren, wenn der Geduldsfaden reißt - Hut ab für den Mut!

Aber zurück zu der Aussage: Respekt soll der Hund haben und zwar vor DIR! Ob er das nach dieser Definition kann? Dafür müsste er ja einschätzen können, ob mein Verhalten, das ich an den Tag lege, besonders herausfordernd für mich ist und auch meine Lebensumstände müsste er einschätzen können. Ehrlich - es fällt mir schwer das zu glauben!

Frage 2: Kann mein Hund das, beantworte ich mit einem entschiedenen: EHER NICHT!

Frage 3: Brauche ich das? Hier werde ich noch entschiedener: NEIN! Wenn er es denn täte - und das werde ich wohl NIE wissen - wäre das zwar nett, aber es würde meinen Umgang mit meinem Hund nicht verändern. Ich bin ein ganz normaler Mensch, der hoffentlich so liebevoll und fürsorglich mit dem Hund in meinem Leben umgeht, wie er es verdient, weil er keinen Augenblick seines Lebens entscheiden kann, ob er bei mir leben will oder nicht.

Frage 4: Will ich das? Ich wüsste bei Leibe nicht wozu!

Definition 2: vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen

Mit anderen Worten müssten für diese Definition folgende Aussagen zutreffen: 

  1. ich lebe mit meinem Hund in einer hierarchischen Struktur (…seiner höheren, übergeordneten Stellung…)
    Nein, tue ich nicht. Ich gehöre der Initiative „Trainieren statt dominieren“ an und bin nach allem, was ich über die wissenschaftliche Forschung zum Lebensstil von Hunden weiß, fest überzeugt, dass nicht einmal Hunde untereinander grundsätzlich in einer hierarchischen Struktur leben. Und das tun sie schon gar nicht in einer Lebensgemeinschaft mit einer völlig anderen Spezies.
    Und außerdem bin ich überhaupt nicht daran interessiert, meinem Hund gegenüber eine übergeordnerte Stellung einzunehmen.
    Meine Rolle im Leben meines Hundes ist die einer fürsorglichen und einfühlsamen Bezugsperson, die dem Hund so sie kann „sicherer Hafen“ und „sichere Basis“ ist. Ich schütze und behüte meinen Hund, wenn er überfordert ist und ich unterstütze meinen Hund, wenn er seine Umgebung erforschen möchte. Punkt.
  2. der Hund empfindet mir gegenüber Scheu. Ja in Drei-Herrgotts-Namen wieso denn bloß? Warum sollte ich das anstreben wollen? Ich möchte, dass mein Hund mir vertraut, dass er mich aufsucht, wenn er Hilfe braucht und dass er sich meiner Unterstützung und Hilfe sicher ist, wenn er sich aufmacht, unsere manchmal furchtbar überfordernde Welt zu erkunden.
  3. er müsste sich bemühen, mein Mißfallen nicht zu erregen. Und wieder lautet meine Antwort: warum sollte ich das wollen? Ich möchte, dass mein Hund Freude mit mir erlebt, soviel "er selbst" sein kann, wie unsere Welt das zulässt. Und ich bemühe mich außerordentlich bei meinem Hund weder Angst noch Scheu zu erregen.

Dann lassen wir uns unsere restlichen 3 Fragen anschauen:

Frage 2: kann er das?
Naja, ob er mich als eine Person in einer überordneten Stellung erleben kann, … ich bezweifle es. Also Punkt eins der Definition ist schon mal durchgefallen.
Scheu vor mir empfinden, das kann er.
Und sich bemühen kein Missfallen zu erregen, ja … das kann er auch

Frage 3: Brauche ich das?
Als fürsorgliche und einfühlsame Bezugsperson sehe ich für das Empfinden von Scheu und das Bemühen kein Missfallen zu erregen überhaupt keinen Grund - Ganz im Gegenteil.
Ich empfinde es als beschämend, wenn mein Hund manchmal Scheu empfindet, weil ich als Mensch gerade bescheuert drauf bin. Und ich hoffe, dass mein Hund sein Verhalten zeigt, weil er bemüht ist, gut für sich selbst zu sorgen und zu erreichen, dass ich mich mit und für ihn freue.

Frage 4: Will ich das?
Aber NEIN, ohne jede Frage will ich das nicht.

Und ich hoffe, dass du dir diese Frage bisher nie gestellt hast. Und falls doch - aus welchem Grund auch immer - dann wünsche ich Dir, dass auch du zu dem Schluss kommst, dass du das weder brauchst noch willst. Und dass für dich deutlich geworden ist, wie fragwürdig dieser Gedankengang ist.

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